Geschäftszeiten: Mo-Fr: 09:00 - 12:00 Uhr

Wenn der Funke Ăźberspringt. Kreative Elemente in Therapie und Beratung.

USCHI OESTERLE UND KARL-HEINZ SCHULDT
WENN DER FUNKE ÜBERSPRINGT. KREATIVE ELEMENTE IN THERAPIE UND BERATUNG

Beratungsprozesse wirken manchmal mßhsam und unlebendig. Ressourcen auf Seiten der KlientInnen scheinen bisweilen unerreichbar. Der Einsatz kreativer Elemente kann einen Prozess der Bewusstwerdung in Gang setzen. Kreativität zum richtigen Zeitpunkt lässt Neues und Unbewusstes hervortreten. Nach einer kurzen Einfßhrung in die Thematik werden Beispiele und verschiedene Methoden (z.B. Einsatz von Bildmaterial und KÜrper) aus der Praxis in Szene gesetzt. Die Teilnehmer haben Gelegenheit, selbst aktiv auszuprobieren und zu diskutieren.

Einstieg
Menschenbild
Unser Menschenbild ist humanistisch geprägt und nimmt Einfluss auf unsere Haltung in der Therapie- und Beratungsarbeit, das bedeutet, ich gehe davon aus, dass der Mensch:
• eine Tendenz hat zur Selbstaktualisierung: er strebt danach sich selbst zu erhalten und zu verwirklichen (Rogers)
• nach Wachstum, Authentizität und Autonomie (Wahlfreiheit, die die persönliche Verantwortung für eigene Entscheidungen und daraus resultierende Konsequenzen einschließt) strebt.
• das Bedürfnis hat nach Sinn (zukunftsorientiert).
• die Fähigkeit zu Selbstreflexion hat und konstruktive Veränderungsbereitschaft in sich trägt.
• Kreativität besitzt und Ressourcen in sich trägt, Konflikte und Herausforderungen im Alltag zu bewältigen.

Wie wirkt Kreativität?
Karl-Heinz Brodbeckš schreibt zur Kreativität:

“Das kreative Erleben ist also ein Prozess der Bewusstwerdung: Man beachtet das Neue, das hervortritt, befreit von den unbewussten Schranken gewohnter Normen. […] Die Achtsamkeit, in ihrer konzentrierten Form zur Aufmerksamkeit gesteigert, ist im Prozess des Erlebens jener
Aspekt, an dem sich Bedeutungen entzĂźnden.
“²

Dies erinnert an Berne, denn er beschreibt dazu eindrücklich, dass Illustrationen (eine von Berne’s 8 Interventionen/ Operationen³) auf das innere Kind verführerisch wirken. Das Kind spüre die Freiheit von elterlichen Einschränkungen und könne sich an der Lebendigkeit und der
Kreativität erfreuen⁴. Diese erlaubnisgebende Seite setzt aus unserer Sicht Energie frei und stärkt die Motivation, Veränderungen im Denken, Fßhlen und Handeln herbeizufßhren.

Workshop „Wenn der Funke überspringt. Kreative Elemente in Therapie und Beratung DGTA-Kongress Wien 2018

Uns gefällt die Kraft, die in diesen Worten steckt. Wir stellen uns vor, dass sich in den Momenten des kreativen Erlebens in einem Beratungsprozess das innere freie Kind der/des KlientIn mit dem inneren freien Kind der/des BeraterIn trifft und beide staunend auf das Neuerlebte blicken und
sich in diesem Moment eine Bedeutung entzĂźndet.

Grundgedanken zur Kreativität:
• Schaffung einer vertrauensvollen Beziehung ist die Basis für die gemeinsame Arbeit
• Die Kreativität trägt der/die KlientIn in sich, manchmal ist diese verschüttet
• Distanz zum Problem schafft Zugang zur möglichen Lösung
• Kreativität ist Autonomie fördernd und nicht in bestimmter Form vorgegeben
• Das Nehmen, was der/die KlientIn im Setting anbietet (manchmal ist es eine Spinne, die zu nahe kommt und auf die die/der KlientIn reagiert)
• Egal, was KlientIn tut oder auch nicht tut – es kann als Autonomieimpuls gesehen werden (transaktionsanalytische Bedeutung von Autonomie: Autonomie wird nie als Selbstherrlichkeit, sondern immer als mitmenschlich bezogene Autonomie gesehen⁵)
• Tun oder Nicht-Tun hat Gründe. Möglicherweise stecken übernommene oder erlernte destruktive Muster einem Widerstand zugrunde (vielleicht Schutzaspekte), die es zu würdigen gilt (Annehmen für das So geworden sein): Okay/Okay-Haltung (Grundpositionen⁶)
• Alles, was während des Settings geschieht ist eingebunden in eine beraterische bzw. therapeutische Beziehung
• Lernen / Ausprobieren direkt im Setting
• Wir arbeiten antithetisch (entgegen seiner/ihrer Skriptüberzeugungen)
• Die aktuelle Beziehung zwischen Klient und mir wird deutlich
es entsteht eine BĂźhne des Miteinanders
• Humor hilft!

Unsere Bedeutung von Kreativität:
• Lust am Experimentieren in geschützter Atmosphäre
• Bilder (visuell oder auditiv) sind in Alltagssituationen eher abrufbar als theoretische Inhalte
• Mit Kreativität lassen sich leichter destruktive Grenzen überwinden
• Kreativität, um Lebendigkeit / Energie im Denken, Fühlen und Verhalten fördern
• Möglichkeit des Zugangs zur/zum KlientIn aber auch Zugang der/des KlientIn zu eigenen Ressourcen

Vorsicht bei Kreativität – zum Beispiel:
• … bei psychotischen PatientenInnen
• … bei PatientInnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung
• KlientIn muss am Ende des Settings ihr/sein ER wieder zur Verfügung haben (Abgrenzung Therapie / Beratung)

Workshop „Wenn der Funke überspringt. Kreative Elemente in Therapie und Beratung DGTA-Kongress Wien 2018

Unsere Ethik zur Kreativität:
• Menschen sind in ihrer Kreativität unterschiedlich und gehen unterschiedliche Wege
• Kreativität braucht Erlaubnis und Schutz
• Kreativität ist vertraglich eingebettet
• Achtung von Grenzen bei mir und den Klientinnen
• Ich stelle mich in meiner Kreativität nicht über die/den KlientIn

Ausgehend von den vorgenannten Grundgedanken stellen wir mÜgliche Kreativitätsformen (Beispiele!) vor:
• Illustration (vgl. Berne⁷)

  • Rollenspiel „schwitzende Kleine“⁸
    • Bild „Bus“⁹
      (zur Wahrnehmung „wer steuert in meinem Leben)
      Beispiel fĂźr Anleitung:
      „Stell Dir vor, verschiedene Persönlichkeitsanteile von Dir sitzen in einem Bus“ … (Anteile vom Klienten/Patienten beschreiben lassen).“ Schau doch mal, wer auf welchen Plätzen sitzt…. Wer sitzt am Steuer? …. Ist es sinnvoll, dass der erwachsene
      Anteil nicht am Steuer sitzt? …. Was könnte passieren? …“
    • Bild „Mauer“ (Ăźber die Mauer schauen)š⁰ – Beispiel fĂźr Anleitung:
      KlientIn sagt: Es fßhlt sich an, als wäre meine Kompetenz hinter einer hohen Mauer verborgen. BeraterIn lädt KlientIn ein, sich auf einen Stuhl zu stellen und ßber die imaginäre Mauer zu blicken. Dadurch Perspektivenwechsel durch Bewegung mÜglich
      im Sinne von „nicht am Problem haften bleiben, sondern darüber hinausschauen…“ – auch: Bewegung schafft Abstand zum Problem.
    • Übung „Blatt Papier“ glatt und zerknĂźllt als Symbol fĂźr Beziehungsprozessšš

  • Arbeit mit Bildkarten (um verschiedene Ich-Zustandsbereicheš² einzubeziehen):
    • Karten drĂźcken GefĂźhle bzw. Stimmungen aus.
    • KlientIn nimmt sich eine Bildkarte, die sie spontan anspricht und kann Zugang zu ihrem/seinen inneren Kind bekommen. Fragen TherapeutIn/BeraterIn: „Was glaubst Du, wie geht es dem/der Kleinen jetzt, was braucht sie, was fĂźhlt sie?“…)
  • Stuhlarbeitenš³
    • Ein GefĂźhl auf einen Stuhl setzen und interviewen
    • Elterninterview (die verinnerlichten Elternfiguren des Patienten/Klienten)
    • Verschiedene Ich-Zustände platzieren, um Wahrnehmung fĂźr unterschiedliche Haltungen / Ambivalenzen zu schärfen, Beispiel: „… Ich hĂśre, in Dir sind verschiedene Stimmen. Da hĂśre ich kritische Stimmen, aber auch rebellische Stimmen und ich hĂśre auch eine ganz erwachsene Stimme… magst Du mal jeder Stimme einen Platz geben? Platzier doch mal jede Stimme auf einem Stuhl und dann schauen wir uns das an….“
    • Eine Erkrankung/Unwohlsein auf einem Stuhl platzieren und interviewen (z.B. Bauchweh)
  • Was tun bei KlientInnen, die häufig sagen „keine Ahnung“
    • Enges Mitgehen, antithetisch arbeiten
    • Bewegung reinbringen (aufstehen lassen, Schritte der Veränderungš⁴)
    • Arbeit mit Abwertungsebenenš⁾, zum Beispiel die Klärung: wertet KlientIn:
      – die Existenz eines Problems ab?
      – die Bedeutung eines Problems ab?
      – die (allgemeine) LĂśsbarkeit eines Problems ab?
      – die persĂśnliche Fähigkeit zur LĂśsung eines Problems ab?
      Wenn Klarheit darĂźber besteht, auf welcher Ebene eine Abwertung erfolgt, kann
      gezielt dort mit der Therapie/Beratung angesetzt werden
    • Arbeit mit der ProblemlĂśsungstreppeš⁜
  • Klienten mit Selbstwertproblematik, Beispiele:
    • Illustrationš⁡ „Geldschein“¹⁸
    • Phantasiereisen (z.B. Rosenbuschš⁚), um eigene Ressourcen zu entdecken
  • Bewegungsarbeiten (Schritte der Veränderung²⁰) bei festgefahrenen Settings, hier auch in Verbindung mit dem Einsatz der LĂśsungstreppe²š
  • Kreativität mit UnterstĂźtzung von Gruppen, Beispiel:
    KlientIn berichtet ßber ein Problem. Gruppenteilnehmer malen dazu ein Bild²². KlientIn sieht sich zunächst ohne Erklärungen das Bild an. KlientIn kann Fragen stellen an die MalerInnen und mÜglicherweise den eigenen Bezugsrahmen²³ erweitern.

Workshopleitung:

Karl-Heinz Schuldt
Dipl. Soz. Päd.; Transaktionsanalytiker (CTA) fßr den Bereich Psychotherapie. Lehrtherapeut und Supervisor (TSTA) fßr die Ausbildung zu TransaktionsanalytikerInnen und LehrtherapeutenInnen im Bereich Psychotherapie. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut; Psychotherapeut nach dem Heilpraktikergesetz. Supervisor als TA-Lehrender und als akkreditierter Supervisor bei der Landespsychotherapeutenkammer BW. WB: Humanistische Psychotherapie
Weiterbildungen u.a. in: Gesprächspsychotherapie, Psychodrama, Gestalttherapie, systemischer Therapie

Uschi Oesterle
GeprĂźfte Transaktionsanalytikerin (CTA) im Anwendungsfeld Beratung.
Mitarbeiterin der Psychologischen Beratungsstelle an der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG), TĂźbingen (Krisenintervention).
Familienhelferin / Erziehungshilfe.
Arbeit mit Gruppen (Erwachsenen). Psychologische Einzelberatung / Paarberatung.
Programmkoordination fĂźr sozialpsychiatrische Seminare.

Unser Institut – wir freuen uns über eine Kontaktaufnahme:
Institut für Humanistische Psychotherapie – Transaktionsanalyse
Karl-Heinz Schuldt & Uschi Oesterle GbR
Poststraße 12, 72072 Tübingen
Tel. 07071/ 2 50 66 * Email: schuldt.praxis@t-online.de * www.schuldt-praxis-institut.de

Literaturliste / Literaturvorschläge
• Beaulieu, D. (2005). Impact-Techniken für die Psychotherapie. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag
• Berne, E. (2005). Grundlagen der Gruppenbehandlung. Paderborn: Junfermann Verlag
• Berne, E. (1957). Das Ich-Bild. Transaktionsanalyse der Intuition. Paderborn: Junfermann
• Brodbeck, K.-H. (2006). Neue Trends in der Kreativitätsforschung. Psychologie in Österreich 4&5
• Bolliger, J. (2011). Problemlösungstreppe. Verfügbar unter https://juerg-bolliger.com/problemlosungstreppe/ [21.06.2018]
• Goulding, M. & R.L. (1981). Neuentscheidung. Ein Modell der Psychotherapie. Stuttgart: Klett-Cotta
• Hagehülsmann, U. (2012). Transaktionsanalyse – wie geht denn das? Transaktionsanalyse in Aktion. Paderborn:
Junfermann Verlag
• Hofman W., Flach, M. (2018). Therapie & Theater. Verfügbar unter
http://www.therapieundtheater.de/Startseite.html [15.05.2018]
• Mellor, K. & Sigmund, E. (1975). Discounting. Transactional Analysis Journal, 5
• Prior, M. (2007). MiniMax-Interventionen. Heidelberg: Carl-Auer
• Reddemann, L. (2015). Eine Reise von 1.000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt. Freiburg: Herder
• Schiff. J, et al. (1975). Frame of Reverence. Transactional Analysis Journal 5
• Schlegel, L. (2002). Handwörterbuch der Transaktionsanalyse (2. Aufl.). Verfügbar unter http://www.DSGTA.ch [30.11.2016]
• Stevens, J.O. (1978). Die Kunst der Wahrnehmung. München: Chr. Kaiser Verlag

¹ Deutscher Philosoph, Kreativitätsforscher, Ökonom und Wirtschaftsethiker
² Brodbeck, 2006, S. 246ff
Âł Berne, 2005, S. 207-219
⁴ Ders.
⁾ Schlegel, 2002, S. 15
⁜ Hagehßlsmann, 2012, S. 55f
⁡ Berne, 2005, S. 207-219
⁸ Oesterle, Uschi, 2017 (unverÜffentlicht)
⁚ Nach einer Idee von Kßhn, Adelheid, 2018 (unverÜffentlicht)
š⁰ Ders.
šš Beaulieu, 2005, S. 30f
š² Berne, 1957
š³ Goulding, 1981
š⁴ weiterentwickelt von Helm, Uli, 2017, ergänzt von Oesterle, Uschi, 2018
š⁾ Mellor & Sigmund, 1975, S. 295-302
š⁜ Bolliger, 2011
š⁡ Berne, 2005, S. 207-219
š⁸ Beaulieu, 2005, S. 51ff
š⁚ Stevens, 1978, S. 48ff; weiterentwickelt von Uli Helm
²⁰ weiterentwickelt von Helm, Uli, 2017, ergänzt von Oesterle, Uschi, 2018
²š Bolliger, 2011
²² Nach einer Idee von Helm, Uli, 2017
²³ Schiff, et al., 1975

Related Articles